Ethik
Als Ethik wird in erster Linie ein Fachbereich der Philosophie – genauer gesagt der Moralphilosophie bezeichnet. Doch Ethik ist nicht nur etwas für Philosophen. Denn die zentrale Frage der Ethik lautet: Was sollen wir tun?
Diese Frage beantworten wir jeden Tag, indem wir uns für oder gegen etwas entscheiden. Gehe ich heute zur Schule oder bleibe ich lieber im Bett? Bringe ich die Mütze, die ich im Bus gefunden habe, zur Fundstelle oder behalte ich sie, weil mir das blau so gut steht? Die meisten alltäglichen Entscheidungen fallen uns nicht schwer. Oft merken wir gar nicht, dass wir uns gerade für oder gegen etwas entscheiden, sondern handeln einfach aus Gewohnheit oder Lust.
Bei anderen Entscheidungen wird es schwieriger, und wir grübeln vielleicht tagelang. Soll ich zur Lehrerin gehen und ihr sagen, dass Paul von seinem Vater geschlagen wird, oder darf ich das nicht, weil ich ihm versprochen habe, mit niemandem darüber zu sprechen?
Die Ethik soll uns dabei helfen, uns in schwierigen Situationen richtig zu entscheiden und die Frage zu beantworten „Was ist gut und was ist schlecht?“.
Es gibt eine Goldene Regel, die sich in den ethischen Vorstellungen aller Weltreligionen finden lässt und die deshalb auch „ethischer Konsens“ (= Übereinstimmung) genannt wird. Die Regel lautet: „Was du nicht willst, was man dir tut, das füg’ auch keinem anderen zu.“ Im Neuen Testament ist die Goldene Regel so ausgedrückt: „Alles was ihr wollt, das euch die Leute tun, das tut ihnen auch.“
Das Problem mit der Mütze lässt sich jetzt klären. Wenn ich meine Mütze verloren hätte, wäre ich glücklich, wenn sie jemand im Fundbüro abgibt. Und das Problem mit Paul? Auf den ersten Blick klingt es ethisch vernünftig der Lehrerin nichts zu sagen, weil man Versprechen nicht brechen soll.
Doch manchmal muss man mutig sein und vielleicht sogar eine Lüge in Kauf nehmen, um das wirklich Richtige zu tun. In diesem Fall also doch zur Lehrerin zu gehen und Paul so wirklich zu helfen.
Es gibt eine wichtige Voraussetzung für ethisches Handeln: die Freiheit sich zu entscheiden. Der Mensch ist frei, weil er immer die Möglichkeit hat, zwischen „ja“ und „nein“ zu wählen. Das unterscheidet uns von den Tieren. Eine Spinne kann nicht entscheiden, ob sie anstatt eines Netzes zur Abwechslung einmal eine Hängematte spinnen sollte. Sie wurde von der Natur so programmiert, und deshalb kann sie nichts anderes als Netze spinnen.
Einige Philosophen sind der Meinung, dass auch wir Menschen nur nach einem Programm der Natur funktionieren und dass uns die Regeln der Gesellschaft zu stark einschränken, um frei entscheiden zu können. Hier muss man vorsichtig sein, was es bedeutet, sich frei zu entscheiden. Denn sich zum Beispiel dafür zu entscheiden, mit dem Fahrrad um die Welt zu reisen, anstatt das Flugzeug zu nehmen, bedeutet nicht, dass man dann auch am Reiseziel ankommt. Aber man ist frei, sich für das Fahrrad zu entscheiden und kann nicht behaupten, dass man gezwungen ist, das Flugzeug zu nehmen.
Nur durch unsere Freiheit ist es uns möglich, das ethisch Richtige zu tun. Doch unsere Freiheit legt uns auch eine Bürde auf. Denn unsere Freiheit bedeutet auch, dass wir für alles, was wir in unserem Leben tun und nicht tun, ganz allein verantwortlich sind.